Fragt man nach den Erfahrungen mit der pandemischen Lage in ländlichen Räumen, unterscheiden sich die Schilderungen der Befragten aus südniedersächsischen Dörfern und die aus dem Thüringer Landkreis Saalfeld-Rudolstadt kaum. Deutlich scheint, dass die Coronakrise in ländlichen Umfeldern weniger einschneidend wirkt, als in städtischen Ballungsräumen. Gleichwohl verdeutlicht die Krise gerade auch mit Blick auf Dorf und Kleinstadt: Öffentliche Güter und Infrastrukturen dürfen in der Fläche nicht vernachlässigt werden!
Abstandsregeln und Kontakteinschränkungen lassen sich in dünn besiedelten Orten vergleichsweise mühelos umsetzen. Zudem können viele Dörfer auf gefestigte soziale Strukturen in der Nachbarschaft und Vereinen zurückgreifen, die in der Krise intensiviert werden. So berichten es unsere Gesprächspartner/innen sowohl in Südniedersachsen als auch in Thüringen. Als stark einschneidend würden in beiden Regionen die Einschränkungen des gemeinschaftlichen Alltagslebens wahrgenommen, das sich vielerorts wesentlich durch das Kirchen- und Vereinsleben und die damit zusammenhängenden informellen Treffen bestimmt.
Teilhabe und Chancengleichheit haben sich selten deutlicher im Vorhandensein (bzw. im Fehlen) von flächendeckender Daseinsvorsorge und Infrastruktur gezeigt. Die dringende Notwendigkeit einer stabilen, flächendeckenden Internet- und Mobilfunkverbindung wird spätestens im Krisenmodus unbestreitbar: Wenn sich Arbeits- und Schulalltag hauptsächlich im digitalen Raum abspielen, müssen „Homeoffice“ und Online-Schulunterricht auch auf dem Land durch die notwendigen technischen Voraussetzungen ermöglicht werden. Um auf regionaler Ebene Wege der Zusammenarbeit zu finden, sind Dörfer und Landkreise gefragt, neue Strukturen zu schaffen und im regen Austausch mit Nachbargemeinden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach Lösungen zu suchen.
Die Pandemie hebt die Aktualität gleichwertiger Lebensverhältnisse auf ein neues Level. Sie unterstreicht, dass öffentliche Güter und Infrastrukturen in der Fläche nicht vernachlässigt werden dürfen und macht außerdem deutlich, dass die Qualität gesellschaftlichen Zusammenlebens durch vielfältige Initiativen an allen möglichen Orten der Gesellschaft bestimmt wird. Unsere Recherchen zeigen: Um für die „neue Normalität“ zu lernen, lohnt der Blick in den ländlichen Raum.
Die Diskussionsbeiträge stehen zum kostenfreien Download zur Verfügung:
„Städte halten den Atem an, Dörfer atmen tief durch. Corona auf dem Land: Soziologische Momentaufnahmen.“ von Maike Simmank und Berthold Vogel
„Lernen für die neue ‚Normalität‘? Corona auf dem Land II: Perspektiven aus Saalfeld-Rudolstadt.“ von Sarah Herbst, Rüdiger Mautz, Helena Reingen-Eifler, Maike Simmank und Berthold Vogel