Im Rahmen einer Erhebung an der Schule am Hohen Hagen in Dransfeld haben sich Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen mit ihren Perspektiven und Erwartungen an das Leben im ländlichen Raum beschäftigt
Ein durchdachtes Mobilitätsangebot, schnelles Internet und Einkaufsmöglichkeiten sind Anforderungen, die Jugendliche an Wohnorte im ländlichen Raum stellen. Im Rahmen einer Erhebung an der Oberschule am Hohen Hagen in Dransfeld haben Maike Simmank und Sarah Herbst vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) die neunten und zehnten Klassen besucht, um mit den Schüler/innen Perspektiven für den ländlichen Raum und die Frage nach dem „Gehen oder Bleiben?“ zu erarbeiten. Seit März 2019 ist das SOFI mit dem Projekt „Gleichwertigkeit – Mehr als eine gute Idee?!“ in Dörfern und Kleinstädten in Südniedersachsen unterwegs, das nach der Alltagswirklichkeit des Verfassungsziels der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ fragt. Im engen Dialog mit Dorf- und Stadtbewohner/innen nimmt das Projektteam unter der Leitung von Prof. Dr. Berthold Vogel lokale Infrastrukturen und dörfliche Alltagsarrangements in den Blick.
Spätestens mit dem bevorstehenden Schulabschluss stellt sich für junge Dorfbewohner/innen die Frage nach zukünftigen Chancen und beruflichen Optionen im ländlichen Raum. Ob die jungen Leute gehen oder bleiben, ist zukunftsweisend für das Fortbestehen und die Entwicklung schrumpfender und zunehmend strukturschwacher Dörfer. Wie empfinden Schüler/innen das Leben im ländlichen Raum – zieht es sie in die großen Städte oder fühlen sie sich ihren Heimatorten verbunden?
Ruhe und Natur werden von Jugendlichen geschätzt
„In den besuchten Klassen haben wir eine hohe Zufriedenheit der Jugendlichen mit ihren ländlichen Wohnorten wahrgenommen“, resümiert Maike Simmank. Bei der Sammlung von Argumenten, die für das Leben im Dorf sprechen, nannten alle Gruppen die Ruhe, Natur und gute Luft in den ländlichen Wohnorten. Das Fehlen von Straßenlärm und das Vorhandensein von Platz und Grünflächen scheinen bereits für Jugendliche wesentliche Qualitäten auszumachen. Zudem zählten die Nähe zu Familie und Freunden sowie eine gute Gemeinschaft und gemeinsame Feste für die Schüler/innen zu den Vorzügen im Dorf.
Erhebliche Einschränkungen beschrieben sie durch den unzuverlässigen und teuren öffentlichen Nahverkehr. In einigen Dörfern führen die Busse sehr selten und innerhalb ungünstiger Streckennetze, worunter die Freizeitgestaltung und die Pflege sozialer Kontakte leide. Vielerorts fehle es zudem an Treffpunkten und Aktivitäten für Kinder und Jugendliche. Neben Cafés und Jugendräumen sehnte sich eine Großzahl der befragten Schüler/innen nach Geschäften und Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung.
Die berufliche Orientierung spielt für die Jugendlichen eine zentrale Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Gehen oder Bleiben. Wer im Heimatort bleiben möchte, richtet die Berufswahl vorwiegend an den lokalen Möglichkeiten aus oder hat bereits einen Ausbildungsplatz in der Hand. Bei denjenigen, die die Region verlassen wollen, hängt diese Entscheidung oft mit Blick auf ein Studium oder einen Beruf zusammen, welche vor Ort nicht zu verwirklichen sind. Auf die Frage, wohin es die Jugendlichen ziehe, wurden Hannover, Göttingen und Kassel als die häufigsten potenziellen Arbeitsorte genannt, was wiederum auf eine starke Ausrichtung auf den (erweiterten) Wirtschaftraum des Landkreises Göttingen verweist.
Mobilität kommt vor Internet
Eine eindeutige Tendenz zum Gehen oder Bleiben ergab die Erhebung zunächst nicht – entlang einer Positionslinie, an der sich die Schüler/innen aufstellten, waren sowohl die beiden Extreme als auch die Mitte (unentschlossen) relativ ausgewogen vertreten. Während der Gespräche über Vor- und Nachteile, über Familie und Vereine als potenzielle Bindefaktoren, war anschließend jedoch eine recht starke Verbundenheit mit den ländlich geprägten Wohnorten im Raum Dransfeld festzustellen. Bezeichnend für die Perspektiven und Anforderungen der Jugendlichen an den ländlichen Raum ist das Ergebnis eines kurzen Stimmungsbildes: Die Abfrage, ob den Jugendlichen ein schnelleres Internet oder bessere Busverbindungen wichtiger sei, fiel eindeutig für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aus!
Schnelles Internet vs. verbesserter Nahverkehr –
wofür würden Sie sich entscheiden?